Autor:
Banu Mushtaq
Verlag: And Other Stories
Genre: Belletristik
Erscheinungsjahr: 2025
Weitere bibliographische Angaben
ISBN: 978-1-916751-16-3
Einbandart: kartoniert
Seitenzahl: 216
Sprache: Englisch
Originalsprache: Kannada
Übersetzung: Deepa Bhasthi
MT
Moritz T.
Bewertungen
Besprechung
Die Erzählungen von «Heart Lamp» konfrontieren den (europäischen) Leser mit einer fremden Welt. Die Figuren befinden sich in wenig vertrauten Konstellationen, die Bedeutung mancher Codes und Fremd-Wörter, die die Übersetzerin in der indischen Ursprungssprache Kannada belassen hat, muss der Leser sich aus dem Kontext erschliessen. Hier wird nicht eine exotische Welt auf eine didaktische Weise für ein westliches Publikum zugänglich gemacht; konsequenterweise fehlen auch Glossar oder Fussnoten. Das Zielpublikum Banu Mushtaqs ist in erster Linie ihre eigene südindisch-muslimische Gemeinschaft, und das Ziel ist ein durchaus gesellschafts-politisches: die Mechanismen von Unterdrückung und Unfreiheit der Frauen zur Sprache zu bringen, und damit die Basis zu schaffen für Veränderung.
Engagierte Literatur also, die aber ihre Botschaft kunstvoll vermittelt. So fremd teilweise der Inhalt, so vertraut wirken die Formen dieser Erzählungen. Die Autorin setzt souverän Motive und Figuren der Erzähltradition ein, mit geschickt gesetzten Pointen und überraschenden Wendungen. Das herausragende «Fire Rain» etwa, worin ein religiöser Mob eine Leiche, die nicht nach muslimischen Riten begraben worden war, ein zweites Mal beerdigt, kann man sich von der formalen Qualität und vom Plot-Aufbau her sehr gut auch in einer westlichen Sammlung von Meister-Erzählungen vorstellen.
Die Titel-Erzählung «Heart Lamp» konzentriert sich ganz auf ein Kern-Thema der Autorin: eine Ehefrau und vielfache Mutter wird von ihrem Ehemann verlassen (sie ist ihm einfach nicht mehr attraktiv genug), ihre Herkunftsfamilie, bei der sie Unterstützung sucht, verstösst sie: wenn sie eine Scheidung anstrebt, ruiniert das nicht nur ihren Ruf, sondern verunmöglicht auch die Verheiratung ihrer noch ledigen jüngeren Schwestern. Besser wäre, wenn sie sich umbringt. Erschütternde Einsamkeit und Ausweglosigkeit.
Mushtaq zeigt, wie die Figuren in die religiösen und gesellschaftlichen Traditionen eingebunden und dort verwurzelt sind. Die Frauen tragen fast die ganze soziale Last, und sie haben in einem engen Korsett von Regeln und Erwartungen keinen Freiraum. Die Männer dagegen können sich, mit Billigung der Gemeinschaft, bei der erstbesten Gelegenheit aus der Verantwortung stehlen – nicht zuletzt dank der Option der Polygynie; ein Muslim kann bis zu vier Frauen ehelichen. Er zieht, wenn ihm ein Haushalt mit vielen Kindern zu anstrengend wird, einfach ein Haus weiter. Das ist auch Thema der Erzählung «Black Cobras», in der eine verlassene Frau, deren Kinder hungern, vergeblich eine Petition in der lokalen Moschee deponiert, mit der ihr Mann zur Räson gerufen werden soll.
Sehr lesenswert sind aber auch Erzählungen, die nicht in erster Linie das (traurige) Schicksal einer Heldin skizzieren, sondern einfach Szenen aus dem Alltagsleben schildern. Im zauberhaften «Soft whispers» erleben wir einige Episoden aus der Perspektive eines achtjährigen Mädchens, in «Red Lungi» wird das Fest einer Knabenbeschneidung detailliert geschildert, mit den höchst unterschiedlichen Emotionen, die die Figuren durchleben.
Der Band versammelt Erzählungen aus dreissig Jahren. Nicht alle können im selben Masse überzeugen. Aber die nur etwas mehr als 200 Seiten und 12 Erzählungen bieten insgesamt einen grossen Reichtum an Bildern und Figuren, die unseren Horizont erweitern und eindringlich vor Augen führen, wie prekär und vulnerabel die Position der Frau in der südindisch-muslimischen Gesellschaft sein kann.
Mehr zeigen...
Engagierte Literatur also, die aber ihre Botschaft kunstvoll vermittelt. So fremd teilweise der Inhalt, so vertraut wirken die Formen dieser Erzählungen. Die Autorin setzt souverän Motive und Figuren der Erzähltradition ein, mit geschickt gesetzten Pointen und überraschenden Wendungen. Das herausragende «Fire Rain» etwa, worin ein religiöser Mob eine Leiche, die nicht nach muslimischen Riten begraben worden war, ein zweites Mal beerdigt, kann man sich von der formalen Qualität und vom Plot-Aufbau her sehr gut auch in einer westlichen Sammlung von Meister-Erzählungen vorstellen.
Die Titel-Erzählung «Heart Lamp» konzentriert sich ganz auf ein Kern-Thema der Autorin: eine Ehefrau und vielfache Mutter wird von ihrem Ehemann verlassen (sie ist ihm einfach nicht mehr attraktiv genug), ihre Herkunftsfamilie, bei der sie Unterstützung sucht, verstösst sie: wenn sie eine Scheidung anstrebt, ruiniert das nicht nur ihren Ruf, sondern verunmöglicht auch die Verheiratung ihrer noch ledigen jüngeren Schwestern. Besser wäre, wenn sie sich umbringt. Erschütternde Einsamkeit und Ausweglosigkeit.
Mushtaq zeigt, wie die Figuren in die religiösen und gesellschaftlichen Traditionen eingebunden und dort verwurzelt sind. Die Frauen tragen fast die ganze soziale Last, und sie haben in einem engen Korsett von Regeln und Erwartungen keinen Freiraum. Die Männer dagegen können sich, mit Billigung der Gemeinschaft, bei der erstbesten Gelegenheit aus der Verantwortung stehlen – nicht zuletzt dank der Option der Polygynie; ein Muslim kann bis zu vier Frauen ehelichen. Er zieht, wenn ihm ein Haushalt mit vielen Kindern zu anstrengend wird, einfach ein Haus weiter. Das ist auch Thema der Erzählung «Black Cobras», in der eine verlassene Frau, deren Kinder hungern, vergeblich eine Petition in der lokalen Moschee deponiert, mit der ihr Mann zur Räson gerufen werden soll.
Sehr lesenswert sind aber auch Erzählungen, die nicht in erster Linie das (traurige) Schicksal einer Heldin skizzieren, sondern einfach Szenen aus dem Alltagsleben schildern. Im zauberhaften «Soft whispers» erleben wir einige Episoden aus der Perspektive eines achtjährigen Mädchens, in «Red Lungi» wird das Fest einer Knabenbeschneidung detailliert geschildert, mit den höchst unterschiedlichen Emotionen, die die Figuren durchleben.
Der Band versammelt Erzählungen aus dreissig Jahren. Nicht alle können im selben Masse überzeugen. Aber die nur etwas mehr als 200 Seiten und 12 Erzählungen bieten insgesamt einen grossen Reichtum an Bildern und Figuren, die unseren Horizont erweitern und eindringlich vor Augen führen, wie prekär und vulnerabel die Position der Frau in der südindisch-muslimischen Gesellschaft sein kann.
«Buch im Fokus»-Newsletter abonnieren
Login
Bitte einloggen um zu kommentieren
0 Kommentare
Oldest